martedì 3 novembre 2020

Darmstädter klagt gegen Klinik: „Spritze zerstörte mein Leben“ - Kann seit einem Klinikaufenthalt nicht mehr ohne Gehhilfe laufen


Peter Schwarz und Marco Müller

Peter Schwarz: Der 39-jähriger Marco Müller erhielt in der Psychiatrie eine Zwangsmedikamentierung. Darin sieht er die Ursache dafür, dass er nicht mehr richtig laufen kann.

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  • Claudia Kabel
    vonClaudia Kabel


Der 39-jähriger Marco Müller erhielt in der Psychiatrie eine Zwangsmedikamentierung. Darin sieht er die Ursache dafür, dass er nicht mehr richtig laufen kann.

Wenn Marco Müller mit seinem Rollator die wenigen Meter vom Wohnzimmer zum Balkon geht, dauert das ziemlich lange – jedenfalls für einen 39-Jährigen. Er kann kaum die Füße heben, muss sich auf einen Rollator stützen, wirkt wie ein alter Mann. „Ich konnte früher normal laufen“, sagt der Darmstädter. „Heute bin ich an diese Wohnung gebunden.“ Er könne kaum laufen, brauche für weitere Strecken einen Rollstuhl, könne nicht mehr schreiben, t.weil seine Hände zitterten, habe Pflegegrad drei und sei zu 80 Prozent behindert.
Die Probleme tauchten während eines Aufenthalts in den Vitos-Kliniken Heppenheim auf, wo Müller von Dezember 2016 bis März 2017 wegen einer Psychose behandelt wurde. Er und seine Lebensgefährtin Tatjana von Janso sind überzeugt, dass die Ursache der Beschwerden eine dort vorgenommene falsche Medikamentierung ist. Deswegen haben die beiden nicht nur 2019 eine Petition an den hessischen Landtag gerichtet, in der sie mehr Schutz für Psychiatriepatienten fordern, sondern klagen jetzt auch gegen Vitos vor dem Landgericht Darmstadt.

Wegen Angstzuständen sei er damals in Behandlung gewesen, sagt Müller. In Heppenheim wurde er am 1. Dezember eingewiesen, nachdem er zuvor in der Psychiatrie Heidelberg gewesen war. Weil er bereits wochenlang die Nahrung verweigert hatte und auch nur ganz wenig Flüssigkeit zu sich nahm, wurde er laut Arztbericht, der der FR vorliegt, nach richterlicher Genehmigung am 28. Dezember mit dem Neuroleptikum Ciatyl-Depot zwangsmedikamentiert.
Zwangsmedikamentierung soll Behinderung ausgelöst haben

„Sie packten mich zu acht und fesselten mich ans Bett“, erinnert sich Müller. Nachdem sie ihm die Spritze gegeben hatten, habe er fünf bis sechs Stunden dagelegen, bis er wieder losgebunden worden sei. Ein traumatisches Erlebnis sei das gewesen. „Am nächsten Tag begannen die Gangstörungen“, sagt Müller. Doch die Ärzte, die von Janso nach eigenen Angaben sofort darüber informierte, hätten gesagt, er sei nur schwach wegen der zu geringen Nahrungsaufnahme. Zwar kam der Appetit wieder, aber die Gangstörungen blieben, berichtet Müller. Umso schockierter sei er gewesen, als er am 11. Januar eine zweite Spritze mit Ciatyl verabreicht bekommen sollte. Als er sich weigerte, hätten ihm die Ärzte gedroht, ihn erneut zu fixieren.

Doch die zweite Spritze machte laut Müller alles noch schlimmer. Nach der ersten habe er noch ohne Rollator laufen können, „nach der zweiten musste ich die Beine hinterherziehen. Diese sinnlose Spritze zerstörte mein Leben.“ Schlimm sei gewesen, dass ihm niemand geglaubt habe. Die Physiotherapeuthin habe ihn als „faul“ bezeichnet, behandelnde Ärzt:innen hätten die Problematik als in der Literatur nicht dokumentiert bezeichnet. Dabei werden im Beipackzettel von Ciatyl-Depot entsprechende Störungen als häufige Nebenwirkungen genannt, wie bei der Parkinsonschen Erkrankung etwa Zittern, Steifheit und Bewegungslosigkeit sogar als sehr häufig.

Mit dem Fall befasst sich das Gericht

Inzwischen war Müller bei zahlreichen Medizinern, um sich Hilfe zu holen, denn auch vier Jahre später kann er immer noch nicht wieder richtig laufen. Doch bis auf einen Arzt im bayrischen Cham, der ihm bestätigt habe, dass er wegen eines Enzymdefekts das Medikament nicht habe abbauen können, hätten alle Ärzte abgewiegelt.

Nun soll ein vom Gericht bestellter Gutachter kommen, sagt von Janso. Die Vitos-Kliniken wollten sich auf Anfrage der FR nicht zu dem Fall äußern, da dieser derzeit gerichtlich geklärt werde.

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